Tagebuch Hornstorf 2002
Teil 6 von 11
06.06.2002 (28°C) Mittlerweile sind die Jungstörche so groß geworden, dass die beiden auch schon einmal für kurze Zeit
alleine am Horst zurückbleiben könnten. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Weibchen gern einmal einen kleinen Ausflug
macht und das Männchen die Jungstörche noch nicht allein gelassen hat. Es sieht so aus, als ob die Storchenmutter
versucht, die Jungen nach und nach an die Abwesenheit zu gewöhnen, denn schon bald wird keiner der Altvögel schützend
am Horst bleiben, zumal der Nahrungsbedarf der Kleinen immer größer wird und ein einzelner Altvogel nur schwer ausreichend
Beute herantragen kann. Durch den starken Ostwind hatten die Jungen, die bereits immer öfter stehen und für einen kurzen
Moment die Muskeln der Schwingen trainieren, größere Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Manchmal sah es so
aus, als ob ein Unglück geschehen würde. Glücklicherweise ist alles gutgegangen und es war sehr schön, die dunklen Beine
der Jungstörche zu sehen, die in den nächsten Tagen besonders schnell heranwachsen werden.
10.06.2002 Es war echtes Mistwetter bei ca. 16°C, viel Regen und zum Teil Gewitter. Ich hatte heute wirklich keine Lust
im Regen zu fotografieren. Es ist bei so schlechtem Wetter auch nicht allzu viel zu beobachten, denn die Störche verhalten
sich ruhig und versuchen sich, in den Regenpausen zu trocknen, damit sie eine kurze Strecke ins Nahrungsgebiet fliegen
können. Während des Regens unterlassen die Störche das kräftezehrende Fliegen, denn zum einen werden sie durch die Nässe
schwer und zum anderen gibt es keine Aufwinde, die sie nutzen könnten.
11.06.2002 Kurz nachdem ich in Hornstorf eingetroffen war, hatten sich die beiden Altstörche gemeinsam gegen drei über den
Horst kreisenden Störchen (wahrscheinlich drei bis vier Jahre alte Nichtbrüter/Junggesellen) durchsetzen müssen. Es kam
zwar nicht zum Angriff, aber die drei schienen sehr neugierig zu sein und wollten erst einmal nicht weiter fliegen. Letztendlich
hatten sich die beiden Horstbesitzer durchsetzen können und die Störenfriede vertrieben. Später am Nachmittag schaute der am
Horst verweilende Altstorch immer wieder nach oben, ein Anzeichen dafür, dass etwas zu beobachten gilt und verfolgte eine
Gruppe von sieben Störchen, die wirklich sehr hoch unterwegs waren. Ich hatte alle Mühe, diese zu entdecken und hätte diese
gar nicht bemerkt, wenn mich der Altstorch durch sein Verhalten nicht darauf aufmerksam gemacht hätte. Die beiden Jungstörche
stehen immer öfter auf und können bereits recht sicher das Gleichgewicht halten. Oft ist das Trainieren ihre Flugmuskeln zu
sehen. In der ersten Phase des Wachstums sind die Körper der Jungen sehr schnell groß geworden, und in der letzten Woche
sind hauptsächlich die Schwingen sehr schnell gewachsen. Nach und nach werden die Schnäbel länger und somit auch schmaler. Der
ältere der beiden Jungen läuft bereits einige Schritte am Horst, eine spannende Geschichte, gerade dann, wenn es windig ist und
er nach einem Windstoß ganz schnell wieder zum Sitzen kommt. Das Wetter war bei ca. 19°C einiges besser als ich vorhersah, und
erst gegen 18Uhr zog eine Regenfront am Horizont auf, und es begann ein Platzregen.
14.06.2002 Über den ganzen Nachmittag verhielten sich die Jungstörche eher ruhig und zurückhaltend. Das Wetter war
wechselhaft und blieb glücklicherweise bei etwa 17°C trocken. Bisher konnte ich nicht feststellen, wie
viele "Untermieter", Haussperlinge (Passer domesticus) und/oder Feldsperlinge (Passer montanus), sich im Horst "eingemietet" haben. Diese
werden hin und wieder von den Störchen beobachtet. Dazu strecken die Störche den Hals und schauen so über den Horstrand hinweg.
17.06.2002 Bei etwa 30°C und Windstille waren die Jungstörche die ganze Zeit am Hecheln und ich konnte das erste Mal
beobachten, wie sich einige Tropfen Feuchtigkeit an der Schnabelspitze gesammelt hatten und abtropften. Beide Jungstörche
schauten fast erschrocken nach oben und ließen sich auf einmal ganz flach auf dem Horst nieder. Eine Schutzstellung der
Jungstörche, denn es kam ein Altstorch von oben anfliegend, was für die beiden Elternvögel sehr ungewöhnlich ist. Es stellte
sich während des Anfluges heraus, dass es kein Angriff eines Fremdstorchs, sondern der Landeanflug des Weibchens war. Dies
bemerkten natürlich auch die Jungen und waren direkt nach der Landung des Altvogels gleich mit dem Betteln auf Nahrung
beschäftigt. Nach 20 Minuten kam das Männchen zum Horst zurück und hielt sich ruhend auf, auch diesmal wurden die Jungstörche
nicht von ihm gefüttert. Der Ring am linken Bein des männlichen Altvogels ist sehr locker angebracht und rutscht schon mal beim
Landeanflug bis zum Knie hoch. Während die Jungen einige Schritte unternahmen, kamen sie hin und wieder ins Stolpern, es sah
meist gefährlicher aus als es tatsächlich gewesen war.