Tagebuch Hornstorf 2002
Teil 5 von 11
26.05.2002 Starker Ostwind und somit schönes Wetter bei ca. 20°C mit wenigen Wolken. Am Horst war es heute ein wenig ruhiger, denn
durch den kühlen Wind hielten sich die drei Jungstörche eher in flacher Haltung auf. Natürlich ging es wieder hoch her, als es zur
Fütterung kam. Die drei Jungstörche sind sichtlich weiter gewachsen und die Schwingen sind weiter ausgeprägt. Hin und wieder konnte
ich den ältesten Jungstorch bei seinen ersten Versuchen zu knien (Fersensitz) beobachten. Sichtlich hatte der kleine Storch alle
Mühe Gleichgewicht, auch mit Zuhilfenahme der Schwingen, zu halten. Schnell kippte er nach vorn über und saß wieder neben seinen
Geschwistern. Ich konnte auch das Klappern der Jungen hören, es hörte sich viel weicher als das der Altstörche an. Dies liegt an
der Größe und Form der Schnäbel, die Entwicklung der Schnäbel ist sehr schön auf den Fotos zu sehen. Nach und nach werden diese
länger und schmaler, behalten aber die dunkle Färbung.
Das Feld unter dem Horst wurde heute gemäht, und somit hatten die Altstörche es nicht so weit ins Nahrungsgebiet. Optimal, denn
die durch das Mähen aufgescheuchten Kleintiere können leicht erbeutet werden. Plötzlich flog der Altstorch vom Feld aus los und
kehrte nach kurzem Flug zurück aufs Feld. Ungewöhnlich war daran, dass ein Reh in Richtung Storch lief und diesen aufgescheucht
hatte. Bisher hatte ich noch nicht beobachten können, dass ein Weißstorch durch ein anderes, auch viel größeres Tier (zum Beispiel
einer Kuh) aufgescheucht wurde. Selbst vor den lauten Traktoren haben die Vögel keine Scheu und treten erst im letzten Moment beiseite.
02.06.2002 Bei schönstem Sommerwetter mit 23°C konnte ich endlich wieder vor Ort sein. Ich musste feststellen, dass sich nur
noch zwei Jungstörche im Nest befinden. Ich gehe davon aus, dass die Eltern den Bestand selber reguliert haben und so dafür
sorgen, dass mit Sicherheit die beiden Jungen aufgezogen werden können. Am Horst war es im Allgemeinen ruhig, und die Altstörche
wechseln sich nun in größeren Abständen, etwa alle zwei bis zweieinhalb Stunden ab. Ein angreifender Storch konnte erfolgreich
vom Weibchen vertrieben werden, das Männchen war am Horst und schützte den Nachwuchs. Auf vielen Feldern sind die Landwirte mit
der Mahd beschäftigt, und es sind immer wieder Weißstörche auf den frisch gemähten Feldern
unterwegs. Dort finden sie schnell die aufgescheuchte Beute.
03.06.2002 Um die Mittagszeit wurde der Horst von einem Fremdstorch angegriffen und vom Weibchen am Horst
abgewehrt. Dazu flog das Weibchen auch kurz hinter dem Störenfried her, blieb aber ganz in der Nähe zum Horst, so
dass die Jungstörche nicht allzu lange am Horst zurückgelassen wurden. Während des Angriffs und der Zeit, wo die Jungen
alleine am Horst gelassen wurden, haben sich die Jungstörche ruhig und geduckt verhalten, eine Art Schutzverhalten, das
angeboren ist. So meint der Angreifer dass die Jungen tot seien und verliert das Interesse, in gewisser Weise eine Art
Abwehr. Auch heute war wieder herrliches Sommerwetter bei ca. 22°C und Ostwind. Leider kann ich nicht sicher
rekonstruieren, was mit dem fehlenden dritten Jungen geschehen war. Möglicherweise wurde der Jungstorch Opfer eines
Raubvogels, während der schützende Altvogel einen anderen vertrieben hat. Kronismus schließe ich aus, dazu war der Jungstorch
schon zu groß. Kronismus nennt man das Verhalten, wenn ein Altstorch eines seiner Küken z ur Bestandregelung bzw. Bestandsicherung
der Anderen, verschlingt. Eine weitere Möglichkeit ist diese, dass der Altstorch den zuletzt geschlüpften Jungstorch über
den Horstrand geworfen hat. Dies tun Störche, wenn sie sehen, dass der Kleinste keine Überlebensmöglichkeit haben wird oder
erkrankt ist. Dies sehen und erkennen die Störche am Verhalten der Kleinen gegenüber den anderen Geschwistern. Ich habe unter
dem Horst nachgesehen, ob vielleicht eines der Jungstörche aus dem Nest gefallen war und habe keine Hinweise gefunden.